Freitag, 24. Dezember 2010

DESIGN // CHINESE WINTER WONDER HOUSE

http://www.stylemag-online.net/2010/12/24/chinese-winter-wonder-house/




























In Xi An, in der ländlichen Provinz Shaanxi in China werden es im Winter tagsüber bis zu -20° Grad. Schon beim Anblick der märchenhaft nebligen Täler überkommt einen das Frösteln. Eine heimelige Zuflucht baute sich der Architekt Qingyun Ma mit seinem Landhaus. Die einstige Zusammenarbeit mit Rem Koolhaas sieht man dem Bau an, offene Raumaufteilungen, collagen- und labyrinthartige Ebenen nach dem Vorbild eines kubistisch modernen Stadthauses bestimmen die Form. Hohe Fensterflächen und unverputzte Wände mischen sich mit Rot, Weiß und Stahl. Kieselsteinwände funktionieren wie Wärmespeicher, die optische Wärme im Haus stammt vom gelbbraunen Bambus – der Innenraum wurde vollständig mit den preiswerten, typisch chinesischen Paneelen ausgekleidet. Seit zehn Jahren ist das Haus ein architektonisches Vorbild in China für organische, nachhaltige aber trotzdem traditionsbewusste Bauweise.
Gefunden im Bildband 'Interiors Now!', Vol.1, erschienen im Taschen Verlag, herausgegeben von Angelika Taschen
www.taschen.com

Donnerstag, 23. Dezember 2010

ART // A COLLECTION A DAY

http://www.stylemag-online.net/2011/01/02/a-collection-a-day/





































Einen ganz besonderen Jahresrückblick präsentiert die Künstlerin und Illustratorin Lisa Congdon: An jedem Tag in diesem Jahr stellt(e) sie eine kleine Sammlung zusammenpassender Dinge vor – echte Fundstücke aus ihrem Haushalt oder Zeichnungen, Skurrilitäten, Kuriositäten, Banalitäten. Ihre kauzige Leidenschaft teilt sie auf ihrem Blog 'A Collection a Day', das dazugehörige Buch erscheint im nächsten Frühling, was beweist, dass sie nicht die einzig passionierte Sammlerin sein kann. Die Kunst besteht aber nicht allein im Sammeln und Abfotografieren, erst die farblichen und förmlichen Zusammenstellungen bezaubern. Unter den hübschen Arrangements sind: Federn, Radiergummis, italienische Briefmarken, alte Schwarzweißfotos, Keramik-Eulen, dänische Kerzenleuchter, Nähgarn, 1950er-Jahre-Lampen und Gepäckanhänger.Inspiriert, nostalgisch verzückt, und von geweckten Erinnerungen beflügelt, passiert das Jahr auf ganz andere Weise vor dem inneren Auge, als es ein politisch motivierter TV-Jahresrückblick vermag. Außerdem wird die Besonnenheit auf die eigenen kleinen Besitztümer gerichtet und vom Konsumzwang abgelenkt. Viel Spaß!

Courtesy: http://collectionaday2010.blogspot.com/

Dienstag, 14. Dezember 2010

PEOPLE // MARIUSZ MALECKI

http://www.stylemag-online.net/2010/12/14/friend-of-style-mariusz-malecki/







































Die Leute schmunzeln oft, wenn sie ins Studio Ziben kommen. Das hat den Möbeldesigner Mariusz Malecki am Anfang irritiert. Tatsächlich kommt man aber nicht umhin, beim Anblick seiner kubistisch verspielten Möbelstücke und Objekte selig zu lächeln, verbreiten sie doch trotz puristischer Anmut ein heimeliges Wohlbefinden. Neben den erkennbaren Referenzen zu den 1950er Jahren und dem Bauhaus-Design, lässt Malecki sich gerne vom Berliner Sperrmüll und ausgesetzten Möbelstücken inspirieren – sobald ein Sessel an einer Hauswand lehnt, fotografiert er das Stillleben. Zurück am Schreibtisch, in der expressionistischen 'Pollock'-Ecke seines Studios, bringt er seine Ideen zu Papier.
Was machst du?
ich mache Recycling-Möbel und Unikate
Woher kommst du?
aus Polen
Wohin gehst du?
ich versuche immer nach vorne zu gehen, manchmal schneller manchmal langsamer… und ab und zu blicke ich zurück um zu wissen wo ich bin
Wo bist du am liebsten?
in meinem Studio oder in der Sonne
Woran glaubst du?
das frage ich mich auch…
Woran glaubst du nicht (mehr)?
es wird ein bisschen dekadent klingen… aber ich glaube nicht mehr an die Leute…
Was liebst du (an deiner Arbeit)?
dass ich immer etwas Neues mache!
Was hasst du (an deiner Arbeit)?
dumme Fragen
Was liest /hörst du gerade?
beim Arbeiten höre ich oft Nina Simone und Charles Aznavour…
www.empfehlung.de(ine)?
www.sketch.uk
www.studio-ziben.de

Freitag, 10. Dezember 2010

ART // ART BASEL + NADA ART FAIR MIAMI

http://www.stylemag-online.net/2010/12/10/highlights-art-basel-und-nada-art-fair-miami/








































































Nichts ist mehr, was es mal war, auch nicht die Art Basel unter den Palmen Miamis – aber wie sollte sie auch? Trotz einstimmiger Kritik am 'All American Mainstream' fanden wir viele Highlights unter den Werken der über 2000 Künstler auf der diesjährigen, neunten Kunstmesse an der Ostküste, die sich nicht dem amerikanischen, monetären Markt anzupassen schienen. Die neue Ruhe zwischen den Kojen lag am fast vollständigen Fehlen von Medienkunst, die sich ansonsten gerne durch nervöses Flackern oder Tönen ausbreitet. Die gläserne, interaktive Installation 'Reality Show' von Ivan Navarro war eine Ausnahme, die dem Besucher mit LED-Lichtern einen faszinierenden Schwebezustand vorgaukelte. Auch traumwelthaft wirkten figürliche Plastiken aus Styropor, Schaumstoff und Silikon in kontrastierenden Miami-Pastell-Tönen auf Schwarz von Folkert de Jong, die anmuten wie 'gebrochene Engel'. Eher alptraumhafte Assoziationen rief das verbrannte Spielzeug von Richard Kelley hervor. Die Dokumentation 'Breathing in/Breathing out' der Performance-Künstlerin Marina Abramovic (zusammen mit Ulay), bei der die Personen ihre Atemzüge und so Sauerstoff gegen immer mehr Kohlendioxid austauschen, bis fast zur Besinnungslosigkeit, bildet eine der beeindruckendsten Werke. Die feinfühligen Fotografien von Laurel Nakadate, bei denen man die Raumtemperatur zu spüren meint, gehören zum engsten Kreis der Kunst, mit der man am liebsten die eigene Wand schmücken möchte. Sergey Bratkov ironisiert amerikanische Kultur mit rauchenden Jungs in Mickey-Mouse-Sweatern dagegen schnörkellos und scharf gezeichnet. Im Gegensatz zur basteligen Atmosphäre im letzten Jahr, wirkte der kleinere Nebenschauplatz, die Nada Art Fair, erwachsener. Die Kollagen, Zeichnungen und Gemälde von Mercedes Heinwein, Brody Condon, Matthias Dornfeld und Michelle Jezierski spiegelten psychedelische Trips, surreale Landschaften und David-Lynch-Ästhetik. Fazit: Vielen Dank für den Tauchgang in eine Traumwelt, Art Basel Miami!
Bildcredit>Niki Pauls

Donnerstag, 9. Dezember 2010

CULTURE // BHC ART BASEL MIAMI


http://www.stylemag-online.net/2010/12/09/broken-hearts-club-at-art-basel-miami-2010/
Viel Kunst für wenig Preis lautete das Resümee der Besucher der Art Basel Miami, was auch hieß, dass die meisten, insbesondere junge Künstler zufrieden waren mit ihrem Geschäft. Das verdiente Geld wurde abends wieder fröhlich unter die Leute gebracht. Und weil Menschen aus Miami ihre Stadt maximal für Berlin tauschen würden, wie auf miaminewtimes zu lesen ist, wurde auch dieses Jahr der Broken Hearts Club in den Oceanfront Pavilion eingeladen, um Künstler, Galeristen, Musiker und Gäste, Schnurrbart- und Hornbrillenträger, glitzernde Mädchen und flirrende Nachtgestalten mit Lieblings-Lovesongs, Rock, Disco und 80s bis zum Morgen zu verzaubern. Ausgelassen gefeiert haben unter anderem Peaches, Michael Stipe von REM, Sweet Machine aus Berlin, MoMa-Direktor Klaus Biesenbach, Chief Editor der Monopol Holger Liebs, Ulrich Obrist von der Serpentine Gallery London, die Berliner Galeristen Johann König und Martin Klosterfelde, Andrew und Andrew und die Broken Hearts Club Hosts Conny Opper, Ingrid Junker und Niki Pauls. 
Bilder>Uli Holz

Montag, 22. November 2010

PEOPLE // BON HOMME

http://www.stylemag-online.net/2010/11/22/friend-of-style-bon-homme/




























Der Dandy mit Melone versteckt unter dieser den Kopf der Band Whomadewho und nennt sich solo Bon Homme – sein ernster Blick täuscht, die selbstetikettierte Schmeichelei können wir bestätigen. Wer daran zweifelt, war sicher nicht auf dem diesjährigen Berlin Festival, wo Tomas Høffding mit seinem Soloprojekt alleine auf (!) seinem DJ-Pult den Hangar 4 rockte und das nur mit Laptop, Synthies und seiner einzigartigen Falsettstimme. Und war sicher auch nicht auf unserer Party in der Bar Tausend. Und lese deshalb dies hier:
What do you do?
I am writing loooong e-mails with my band, Whomadewho. Having a band is like a marriage, sometimes it’s great, sometimes it’s really hard work. Solo artist = easy:)
Where are you from?
Roskilde. If you have been to the legendary Roskilde Festival, you will know the temporary Scaffold Bridge over the railroad with a house underneath it. That’s where I lived in my teenage years. Free tickets to Roskilde every year since I was 13, wo hoo!
Where do you go?
I am going to my studio to rehearse my live show.
Where do you like to be most?
In my studio or in my Swedish farmer’s house. Sometime all this urban living… clubs, airports, trendy clubs can get too much, and I flee to this old red wooden house in the middle of the woods, put on some ugly clothes and I walk the woods and repair the house and feel like a true lumberjack. Trying hard not to think about music.
What do you believe in?
We are nihilists, we believe in nothing.
What do you NOT believe in (any more)?
Mixing albums on a mixing desk. I think we are right now getting to the point where the software algorithms are getting as good as the analouge stuff. Or maybe it didn’t, and I’m just too dumb to make good mixes on a desk.
What do you love?
60s / 70s hippie songs.
What do you hate?
Nickelback.
What are you reading/listening to right now?

The ringing in my ears, the sound of my hungry belly.
www.yourrecommendedwebsite.com
One day when I get a world hit I am going to bring all this on the road in a big truck:
www.analoguesystems.co.uk/index2.htm
www.bon-homme.com/

DESIGN // LAUBWERK

http://www.stylemag-online.net/2010/11/22/dave-rittingers-mission-laubwerk/












































Dave Rittinger steht für seine Kreationen selbst Modell – guten Gewissens. Seine Zero-Footprint-Shirts sind aus gefallenem Laub und etwas Klebstoff. Das inspirierende Blattwerk zeigt die Naturverbundenheit des Künstlers aus Brooklyn, der zwischen Pinienwäldern in New Jersey aufwuchs.
Rittinger ist erst 26 und behandelt in seinen Werken die Symbiose von Mensch, Natur und bebauter Umgebung so sensibel, friedlich und ausdrucksstark, dass es beinahe missionarisch wirkt.
www.daverittinger.com

Dienstag, 9. November 2010

PEOPLE // HELENE HEGEMANN

http://www.stylemag-online.net/2010/11/09/friend-of-style-helene-hegemann/











































Zu ihrem 18. Geburtstag im Februar gab es im Tresor eine riesige, rosafarbene Torte in Form eines grinsenden Axolotls (der aus Kinderperspektive auch eine Krake hätte sein können). Die Hysterie ist etwas verhallt, nachdem Helene Hegemanns Debutroman 'Axolotl Roadkill' den Seziertisch der Presse-Autopsie verlassen durfte. Aber keine Entwarnung: 'Ich bin wild aufgewachsen, ich will wild bleiben' versprach sie damals in ihrem Artikel für Style and the Family Tunes – darauf zählen wir.
Was machst du?
Im Moment ausschließlich Out-of-Body-Experiences
Woher kommst du?
Das ist sehr kompliziert
Wohin gehst du?
Zurück in die Kleinkriminalität
Wo bist du am liebsten?
In einer meiner zahlreichen Immobilien auf Mauritius
Woran glaubst du?
An Coco
Woran glaubst du nicht (mehr)?
An das Gute im Menschen
Was liebst du (an deiner Arbeit)?
Die oben genannten Immobilien, meinen schwarzen Audi 8 Quattro mit heller Lederausstattung, den lapisblauen Porsche Boxster und die beiden Bentleys, und eigentlich auch alles andere, mein Beruf ist wirklich großartig, finanziell entsetzlich lukrativ und glücklicherweise auch überhaupt nicht abwechslungsreich!
Was hasst du (an deiner Arbeit)?
Absolut gar nichts.
Was liest/hörst du grade?
Die Biografie von Charles Vidor
Das extrem coole Lied „The Further Point“ von Spirogyra



Montag, 8. November 2010

FILM // FOOD, INC.



http://www.stylemag-online.net/2010/11/08/food-inc-was-essen-wir-wirklich/

























Das fälschliche Bild des Farmers in Amerika brennt sich mit beinahe jeder Lebensmittelverpackung in die Köpfe der Verbraucher – zu einem niedlichen Häuschen mit Spitzdach, auf einem grünen Hügel mit Bäumchen und glücklich lächelnder Kuh davor stilisiert. Auch wenn den meisten klar ist, dass Massentierhaltung anders aussieht. Aber 'die Firmen wollen nicht, dass wir wissen, was wir essen. Wollen nicht, dass die Bauern reden,' so die bedrohliche Einleitung in die Oskar nominierte Dokumentation 'Food, Inc.' von Regisseur Robert Kenner und den Journalisten Eric Schlosser und Michael Pollan. Die Anmutung eines Kriminalromans ist nicht zufällig, tatsächlich liegt die industrielle Lebensmittelproduktion in der Macht einiger weniger Firmen, die ihre 'Rohstoffzulieferer' (Bauern) unter strenger, detektivischer Kontrolle haben. Aus ehemals tausenden Schlachtereien in den USA der 1970er Jahre wurden 13 große. Man sieht riesige quadratische Felder um eine dampfende Fabrik angelegt, die schmutzigbraunen Rinder heben sich farblich nicht von dem Boden ab, auf dem sie weiden und verstört durcheinander laufen, man meint den visuellen Verwesungsgeruch wahrzunehmen. Ähnlich sieht es in der Geflügelproduktion aus. Nur eine Farmerin ließ das Kamerateam in ihren Hühnerstall. Das Gefühl, das hier etwas schief läuft ist größer als die Angst ihren Vertrag mit dem Großproduzenten Tyson zu verlieren (und so kommt es nach dem Dreh auch). Die in zu kurzer Lebenszeit viel zu schwer gemästeten Tiere können sich nicht aufrecht halten, nach einem Schritt plumpsen sie hin, liegen in ihrem eigenen Kot, viele werden zertrampelt. Annäherndes mag der Zuschauer erwartet haben. Zumindest der, der sich schon immer darüber wunderte, wie Fastfoodketten so günstige Mahlzeiten verkaufen können. Wie gefährlich billige Nahrung sein kann, zeigt der Fall des zweijährigen Kevin, der nach dem Verzehr eines Burgers an einer Infektion mit E.Coli-Bakterien starb. Auf den Spuren der Nahrungsmittelkette stellt Regisseur Kenner fest: 'Und immer lande ich auf einem Maisfeld in Iowa.' Von hier kommt das billige, genmanipulierte Futter für die Rinder, die eigentlich Grasfresser sind, vom Mais krank werden und wiederum Antibiotika gegen E.Coli bekommen – ein Kreislauf, dessen Rattenschwanz auf unserem Teller landet. Der Abspann durchbricht die lähmende Hilflosigkeit mit den Worten: 'Sie können über Veränderungen dieses Systems abstimmen. Drei mal am Tag.'

Freitag, 29. Oktober 2010

ART // PIG 05049

http://www.stylemag-online.net/2010/10/29/schwein-und-schaf-sind-meine-munition/
Hüfte, Lende, Hachse, Speck und Wolle – in diese Kategorien zerlegt das geistige Auge ein Schwein oder ein Schaf. Vielleicht kommen Attribute wie dick, rosa, warm und lecker dazu. Eine neue Transparenz und ungeahnte Verwertungsvarianten in der Nutztierhaltung führt uns die Künstlerin Christien Meindertsma vor. Für ihr Buch 'PIG 05049' bekam sie im letzten Jahr den internationalen Index Award für Design. Drei Jahre recherchierte sie, welche Produkte aus einem Schwein, nämlich Schwein Nummer 05049, gewonnen werden. Zu den ungewöhnlichsten Dingen zählen: Munition für Gewehre, Medizin, Fotopapier, Herzklappen, Bremsen, Kaugummi, Porzellan, Kosmetik, Zigaretten, Haarspülung und Bio-Diesel. Die absurden Teile, in die Nr. 05049 zerlegt wurde, dokumentierte Meindertsma detailliert in ihrem Bildband und hält uns so auch die traurige Abgestumpftheit vor Augen. Plastisch wurde die faszinierende und ekelhafte Wahrheit über die Schweineteile während ihrer Ausstellung in der Rotterdamer Kunsthalle. Neben Schweinen beschäftigt sich Christien Meindertsma meistens mit Schafen: Wollskulpturen, geschorenen Tieren, dem Produktionsweg vom Merino-Schaf zum Pullover und der eigenen Kollektion aus diesen. Wir sind gespannt, welches Tier als nächstes kommt.
Photos by Roel van Tour, Kenji Masunaga, Julie Joliat
www.christienmeindertsma.com

Samstag, 9. Oktober 2010

FILM // THE SOCIAL NETWORK

http://www.stylemag-online.net/2010/10/09/500millionenfreunde-the-social-network/











































'Dass die Frauen nicht auf dich stehen wird nicht daran liegen, dass du ein Nerd bist, sondern daran, dass du ein Arschloch bist', prophezeit seine Freundin. Doch Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) hat ein Ziel: er will in einen Final Club der Harvard Universität 'weil sie exklusiv sind, Spaß machen und zu einem besseren Leben verhelfen'. Mark ist ein Informatik-Nerd, trägt Adiletten mit und ohne Socken, es scheint aussichtslos. Seine Kommilitonen gehen auf Partys, Mark sitzt vor dem Rechner. Aus Langeweile hackt er sich in Uninetze ein, lädt Bilder von Studentinnen herunter und ruft dazu auf, die Gesichter miteinander zu vergleichen. Mark schickt Facemash an eine 'Hand voll Leute, die Frage ist nur, wem sie es schicken', und legt so mitten in der Nacht den Uni-Server mit 22.000 Klicks in einer Stunde lahm. Datenklau. Erwischt. Die Gerichtsverhandlung deckt alle Details der Geschichte auf, die im Rückblick erzählt wird. Unter den Klägern ist auch sein ehemals bester Freund Eduardo, der den Algorithmus zur Vergleichbarkeit der Gesichter lieferte und mit 1000 Dollar der erster Finanzgeber von (damals noch) 'the facebook' war. Denn, so der einleuchtende Untertitel des Films, 'Du bekommst keine 500 Millionen Freunde, ohne dir auch ein paar Feinde zu machen.' Zu den Feinden gehören auch die Winklevoss-Zwillinge (Armie Hammer in einer smarten Doppelrolle), die die eigentliche Idee zu einem digitalen Netzwerk für Harvard-Studenten lieferten, aber nicht in der Lage waren, sie selbst umzusetzen. Da half auch nicht die Drohung: 'Ich bin 1,90 m groß, wiege 100 kg und es gibt zwei von mir.' Es ist ein etwas anderer Film, den David Fincher dieses Mal präsentiert, nicht in der Tradition von 'Alien 3', 'Sieben', 'The Game' oder 'Fight Club'. 'The social Network' erzählt die unglaubliche Geschichte, wie aus einem digitalen Gesichtsbuch ein Milliarden-Dollar-Coup wurde. Natürlich typisch amerikanisch, aber satirischer, spannend und ohne den Kitsch eines modernen Märchens wie einst „Das Geheimnis meines Erfolges“ mit Michael J. Fox. Als die Seite online geht beginnt der Hype. Immer mehr Studenten werden Mitglied, Mark und Eduardo haben plötzlich Groupies, 'facebook me' wird zum Erkennungscode, alle wollen ein Stück ab haben. Auch Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake als kleines Arschloch) wittert seine Chance. Er hilft Mark, die Plattform weltweit zu etablieren und hebelt Eduardo heimlich aus. Am Ende scheint Mark nicht mehr stolz auf den Schriftzug 'I’m CEO, bitch' auf seiner Visitenkarte zu sein und irgendwie hegt man die ganze Zeit Sympathie für den intelligenten Computer-Nerd, der auf seiner Lippe kaut und heimlich traurig darüber ist, seine damalige Freundin verletzt zu haben - was auch an Jesse Eisenbergs großartigen schauspielerischen Umsetzung liegen muss. Trotz Überlänge hätte man der Geschichte noch weiter zusehen können, denn sie betrifft ja alle, die sich Kommunikation ohne facebook nicht mehr vorstellen können. Mark Zuckerberg gründete das social Network mit gerade einmal 20 Jahren und ist der jüngste lebende Selfmade-Milliardär. Ob er heute Mitglied in einem exklusiven Club ist, der Spaß macht und zu einem besseren Leben verhilft, bleibt offen. Angeblich lebt er immer noch in einem kleinen Apartment in San Francisco und spendete gerade 100 Millionen Dollar für das Bildungssystem. Seine Kläger erhielten eine Abfindung. Ein paar Feinde wird er trotz seiner derzeit 925.494 Freunde auf facebook haben – aber was soll’s.
www.thesocialnetwork-movie.com/

Donnerstag, 7. Oktober 2010

DESIGN // LONDON DESIGN

http://www.stylemag-online.net/2010/10/07/best-of-london-design-festival-2/






























Auch auf dem diesjährigen London Design Festival gingen Nachhaltigkeit und Recycling über Taschen aus LKW-Plane und Kronkorken-Leuchter hinaus. Jenseits des DIY-machbaren wurden Lampen aus Salz, Tische aus Europlatten und puristische Möbel aus recyceltem gepressten Holz und Stahl vorgestellt.
Highlights: die gepolsterten, mit Schnitzereien verzierten Möbel von Zoe Murphy im Ethno-Look, Tisch und Stuhl von Hendzel & Hunt aus der Serie Made in Peckham, der King Louis Tisch aus Karton von Gareth Neal und der Acapulco Chair aus recyceltem Plastik der dänischen Firma Oficina Kreativa.
www.londondesignfestival.com

Freitag, 1. Oktober 2010

DESIGN // WIE SIEHT DIE ZUKUNFT AUS, FRAU FEIREISS?

http://www.stylemag-online.net/2010/10/01/30-jahre-aedes-wie-sieht-die-zukunft-aus-frau-feireiss/
































Vielleicht muss man neuen Projekten mit positiver Naivität begegnen statt mit Risikogedanken. So jedenfalls beschreibt Kristin Feireiss ihre Gründung des Aedes Architekturforums in Berlin, der ersten Architekturgalerie weltweit. Gemeinsam mit einer Freundin eröffnete sie vor 30 Jahren die erste Architekturausstellung in einem 50 qm kleinen Ladenlokal in Charlottenburg. 'Klein anzufangen hatte den Vorteil, dass wir nichts an Dritte delegieren konnten, das förderte den Kontakt zu unseren Entdeckungen.' Mit vielen ist sie heute befreundet. In diesem Jahr feiert das Aedes Forum, mittlerweile auf einem 600 qm großen Areal im Pfefferberg angesiedelt, den 30. Geburtstag. Über 400 Ausstellungen und ebenso viele Kataloge hat Feireiss begleitet. Wir sprachen mit ihr über Berlins Stadtplanung, Wiesen statt Schlösser, junge Talente und die ewig Gestrigen.
Sie haben vor 30 Jahren eine Galerie für Architektur gegründet. Ist Architektur Kunst?
Allenfalls angewandte Kunst. Auf jeden Fall ist sie immer Ausdruck der kulturellen Entwicklung eines Landes, einer Region, einer Stadt. Wir wollten nie Architekturzeichnungen verkaufen, sondern Architektur kommunizieren. Da wir selbst keine Architekten sind, präjudizieren wir keine Stilrichtung. Was uns spannend erscheint stellen wir für ein breites Publikum zur Diskussion, machen Architektur optisch begreifbar, wecken Interesse und Freude, regen aber auch zum kritischen Umgang mit Städteplanung an.
Wie sieht denn die Stadtplanung der Zukunft aus? 
Im Moment leben rund 60 Prozent der Menschen in Städten, in zehn Jahren werden es 75 Prozent sein. Die Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leben, Wohnen und Arbeiten zu schaffen. In Städten wie Frankfurt am Main, die am Wochenende leer gefegt sind, stimmt dieses Verhältnis nicht. Da sich der gesellschaftliche Wandel in Städten sehr dynamisch vollzieht, lässt sich Stadtplanung nicht für Jahrzehnte im Voraus bestimmen. Berlin wurde in den vergangenen 20 Jahren leider ohne Rücksicht zugebaut. Plötzlich gab es zu viele Büros an ungeeigneten Standorten, zu viele Wohnungen in Randgebieten und alles verbunden mit Leerstand und einem flächendeckenden Stildiktat. Heute gibt es den Begriff der 'prozesshaften Stadtentwicklung': Man muss Voraussetzungen schaffen, sich auf notwendige bauliche Eingriffe beschränken und Freiräume für zukünftige Entwicklungen lassen.
Und was wünschen Sie sich architektonisch und städtebaulich für Berlins Zukunft?
Warum muss Berlin ein Schloss bauen und sagt nicht: Wir haben gerade genug andere Aufgaben in der Stadt, wir machen die Fläche grün, die nächste Generation mit sicher anderen Prioritäten kümmert sich darum? Es herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was Berlin und seine kreative Szene ausmachen und der restriktiven Architektur, die das Stadtbild bestimmt. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und Offenheit vom Senat, den Institutionen und der Bürokratie. Und mehr Freude an temporären Nutzungen. Wenn Projekte nur für ein paar Jahre da sind, muss man auch keine Angst davor haben, dass etwas im wörtlichen Sinne 'verbaut' wird.
Um manche Architekten gibt es einen regelrechten Starkult. Wer begeistert Sie?
Wir wollen vor allem junge Talente entdecken. Mit Zaha Hadid zum Beispiel haben wir vor 29 Jahren die erste Ausstellung in Europa gemacht, da hatte sie gerade ihren ersten Wettbewerb gewonnen. Das Projekt, das wir zeigten, wurde nicht einmal realisiert. Sie wurde anfangs völlig unterschätzt, Kritiker meinten, sie sei 'eine arabische Prinzessin, die großartig zeichnen kann, aber niemals bauen wird'. Im Laufe der Jahre konnte sie zeigen, welches herausragende Talent in ihr steckt. Stararchitekten sind für mich diejenigen, die für jede Aufgabe eine innovative, maßgeschneiderte und einmalige Lösung finden.
Und wer hat Sie enttäuscht? 
Enttäuscht klingt zu persönlich. Frank Gehry zum Beispiel hat die internationale Architekturszene angeregt und beeinflusst wie kein anderer. Aber nach sehr spannenden Projekten, etwa dem Guggenheim Museum in Bilbao, trat kreativer Stillstand ein. Das ist okay, warum muss ein Mensch bis an sein Lebensende schöpferisch sein? Aber dann kamen Wiederholungen, das Perpetuieren des eigenen Stils – das ist ermüdend.
Ist denn die Handschrift eines Architekten nicht wichtig?
Sie ist entscheidend. Aber sie bedeutet nicht zwangsläufig eine immer gleiche Formsprache, sondern sollte von der jeweiligen Aufgabe abhängen.
Welche Architekten sind zukunftsweisend?
Ein Beispiel aus Berlin ist das Neue Museum von David Chipperfield: er hat die Geschichte des Orts im Dialog mit zeitgenössischen Elementen lebendig werden lassen. Dieser Umgang mit historischen Bauten ist weltweit vorbildhaft. Das ist beim Martin-Gropius-Bau nicht gelungen, man kann Gebäude auch tot restaurieren.
Und etwas weniger prominent?
Es ist immer unbefriedigend, nur einzelne Büros zu nennen aber Sauerbruch Hutton gehören dazu, Jürgen Mayer H. in der jüngeren Generation und auch das Raumlabor, das mit temporären Interventionen im urbanen Raum überrascht, z.B. einem Opernprojekt oder einem mobilen Kinderliteraturhaus in sozial schwachen Gebieten. Solche Ansätze finde ich sehr spannend.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein für zeitgenössische Architektur?
Nachhaltigkeit bezieht sich bei der Architektur nicht nur auf Gebäude sondern auch auf die Infrastruktur. Ein ökologisches Gebäude muss auch gut erreichbar sein. Mobilität ist wichtig: Wie kommen die Menschen schnell und umweltfreundlich an ihr Ziel? Der richtige Umgang mit Nachhaltigkeit in Bezug auf Architektur ist erst erreicht, wenn ökologische Aspekte nicht mehr hervorgehoben werden müssen, sondern selbstverständlich sind. Wenn es nicht mehr nur um Reduzierung von Energie geht oder darum, ein emissionsfreies 'Zero-Haus' zu bauen, sondern mit einem Haus sogar Energie zu generieren. In naher Zukunft wird das möglich sein. Eine ermutigende Vorstellung.
www.aedes-arc.de

Donnerstag, 23. September 2010

BETTER PLACE // JR FOR SOLAR

http://www.stylemag-online.net/2010/09/23/j-r-ewing-fur-solar/































Bill Clinton ist rehabilitiert, niemand erinnert sich an den Praktikantinnen-Fauxpas, der Terminator ist Gouverneur von Kalifornien und nun das: 'Dallas'-Ölmagnat und 1980er Jahre Ikone Larry Hagman aka J.R. Ewing wirbt für Solar Power – im Land der begrenzten Unmöglichkeiten…


Montag, 20. September 2010

ART // FRUIT SKULLS

http://www.stylemag-online.net/2010/09/20/fruit-skulls-by-dimitri-tsykalov/

Was Asiaten können, machen Russen noch besser. Oder sagen wir mal anders. Statt der bekannten Rosen und Schwäne schnitzt Künstler Dimitri Tsykalov Totenschädel aus Melonen, Äpfeln, Kohlköpfen. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Künstler mit seinen Skulpturen provoziert, bei seinem Namen fallen einem Fleisch- und Gedärm-behängte Körper ein. Die Botschaft: Überdruss und Verschwendung soll uns ängstigen. Ob Tsykalov immer sozialkritische oder aber skandalöse Absichten verfolgt, bleibt Interpretation, ebenso, ob der weggeworfene, tote Apfelrest einem ins schlechte Gewissen spukt.
Bildcredit>Dimitri Tsykalov

Freitag, 17. September 2010

ART // FAST TRASH

http://www.stylemag-online.net/2010/09/17/catch-of-the-day-fast-trash/











































In den USA findet man neuerdings im Supermarkt nicht nur Lachs und Forellen im Fischregal, sondern weiteres Strandgut aus der jeweiligen Fangzone: Kondome, Kippen, Plastik, Dosen und anderen Müll. Ekelig aber wahr. Diese Fundstücke, ebenfalls lebensmittelecht in Folie verpackt und mit einem Aufdruck zu Inhalt und Herkunft versehen, stammen auch aus dem Meer. Der 'Catch of the Day' zeigt, was außer dem Fisch noch im Netz landet. Initiiert wurde diese wachrüttelnde Guerilla-Kampagne von der Surfrider Foundation, die sich für den Schutz der Meere und Gewässer einsetzt, mit kreativer Unterstützung der Agentur Satchi & Satchi in LA. Guter Fang!
www.surfrider.org/whoweare.asp

Donnerstag, 16. September 2010

DESIGN // HAKEN MACHEN BÜGEL

http://www.stylemag-online.net/2010/09/16/kleiderstuhl-haken-machen-bugel/


























Schöngeister und Schmuddekinder, Hektiker und Faulenzer nutzen sie gleichermaßen als Kleiderständer: die Stuhllehne. Zum Leidwesen der klassischen Garderobe lädt sie auf Schulterhöhe dazu ein, das Jackett einfach abzustreifen. Deshalb hätte man auch früher und vor allem selbst auf die Idee eines italienischen Designbüros kommen können, hübsches und ausrangiertes Stuhlholz zu Kleiderbügeln umzufunktionieren. Eine gute Recycling-Idee – zum erschwinglichen Preis von 10-15 Euro oder zum Nachmachen.
www.resign.it

Freitag, 10. September 2010

ART // EXAMPLES TO FOLLOW

http://www.stylemag-online.net/2010/09/10/uferhallen-zur-nachahmung-enpfohlen/



































Eine angenehme Ruhe macht sich in den lichten Uferhallen Wedding breit, nur ein paar Plätschergeräusche und leise Stimmen einzelner (Video-) Installationen der Ausstellung 'Zur Nachahmung empfohlen! – Examples to follow!' sind zu vernehmen. Hinter dem auffordernden Etikett stehen zahlreiche Kunstwerke, die auf beeindruckende, simple oder aufwändige, teilweise witzige Art die ästhetische und kulturelle Dimension der Nachhaltigkeit behandeln. Welche Antworten hat die Kunst auf globale Herausforderungen wie den Klimawandel, die Endlichkeit der Energiereserven, das Schwinden der Biodiversität, gesellschaftliche Entwicklungen und was kann sie bewirken? Zeitlos aktuell bleibt eine Antwort von Joseph Beuys, der mit seinem Pflanzprojekt '7000 Eichen' 1982 der Documenta, den Kasselern und der Welt zeigen wollte, dass die Kunst Verantwortung übernimmt. Neuere Entgegnungen stammen zum Beispiel von Néle Azevedo, deren Aktion 'Minimum Monument' als Videodokumentation ohne Worte auskommt: Auf frequentierten Treppen werden sitzende Eismännchen verteilt, die langsam tropfend transparenter werden und schließlich schmelzen. Der atmende Laubhaufen 'The Guide' von Clement Price-Thomas erschreckt den Besucher ebenso wie schon Menschen und Hunde im New Yorker Central Park, da er den Sinn für das Gewöhnliche stört und die Illusion von Lebendigkeit vermittelt. Die Büro-Installation 'Adopted' von Gudrun F. Widlok vermittelt familiär bindungslosen, erwachsenen Europäern Pateneltern in Afrika. Eine der beeindruckendsten Installationen stammt vom dänischen Künstlertrio Superflex: Das Video 'Flooded McDonald’s' zeigt, wie der Nachbau eines McDonald’s-Restaurant langsam geflutet wird, Stühle, Becher, Pommes und Ronald McDonald im trüben Wasser schwimmen, das Portrait des 'Employee of the Month' versinkt und die Leuchtreklame gefährlich summend erlischt. Durch die Unterwasser-Geräusche und die Katastrophenfilm-typische Kameraeinstellung, halb über und halb unter Wasser, entsteht eine Konsum-Endzeitstimmung. Die künstlerische Herangehensweise an das gesellschaftspolitische Umwelt- und Zukunftsthema reicht von subtil, experimentell, pedantisch, bis plakativ und weit über verrückte Recycling-Ideen hinaus.
www.kulturstiftung-des-bundes.de/cms/de/programme/kultur_der_nachhaltigkeit/zur_nachahmung_empfohlen.html

Freitag, 30. Juli 2010

ART // DER CARAVAGGIO

http://www.stylemag-online.net/2010/07/30/der-caravaggio/


















































































Wie stürzt man eine Kunstepoche? Während seine Kollegen gegen Ende des 16. Jahrhunderts noch der verherrlichenden Darstellung huldigten, malte Michelangelo Merisi da Caravaggio neuartig realistisch und naturalistisch. Und wurde so zum Überwinder des Manierismus und Begründer der römischen Barockmalerei. Im Zeichen des Frühbarocks wählte auch er vorwiegend biblische Themen, verknüpfte aber mit der Darstellung einer unidealisierten Wirklichkeit und drastischen Alltäglichkeit das Sakrale mit dem Profanen. Statt harmonischer Gruppenportraits wählte er aus der darzustellenden Szene den Moment der höchsten Dramatik, nicht nur in der Enthauptung des römischen Heerführers in 'Judith und Holofernes'. Potenziert wird die Dramatik durch Caravaggios meisterhaften und einzigartigen Einsatz von schräg einfallendem Schlaglicht – die Figuren, Gesten und Bewegungen wirken ungewohnt lebendig, die theatralische Inszenierung wie die perfekte Momentaufnahme im dritten Akt. Die provozierende Nacktheit, vielleicht sogar Homoerotik (z.B. 'Amor als Sieger' mit freizügigem Ausfallschritt) und das fehlende Dekor in den Gemälden des italienischen Barockmalers riefen immer wieder Kontroversen hervor, zum Beispiel mit der Kirche, die zahlreiche seiner Darstellungen ablehnte. Auch weil Caravaggio seine üppigen Modelle für die biblischen Frauenfiguren auf der Straße fand, vermutlich stand die schöne Dirne Fillide Melandroni nicht nur für die Darstellung der 'Judith' Portrait. Ob Caravaggio einen seinem Malstil entsprechend egozentrischen Lebenswandel pflegte und ob seine Gemälde Ausdruck sexueller Freizügigkeit oder bloß gelassene Selbstverständlichkeit sind, ist spekulativ – der Mythos vom gewalttätigen und promiskuitiven Malergenie hält sich jedenfalls hartnäckig. Sicher ist, dass er mehrfach wegen körperlicher Gewalt oder Waffenbesitz angeklagt wurde. Bis zu seinem Tod 1610, kurz vor seinem 39. Geburtstag, war er praktisch immer auf der Flucht vor seinen Verurteilungen. Pünktlich zum 400. Todestag und dem in Rom ausgiebig gefeierten Caravaggio-Jahr 2010 erschien nun im Taschen Verlag der Bildband 'Caravaggio – Das vollständige Werk.' Der Autor, Kunsthistoriker Sebastian Schütze, dokumentiert das Leben und Schaffen des Malers auf seinen vielen Stationen in Mailand, Rom und Neapel, auf Malta und Sizilien, seinen Einfluss auf die Kunstwelt, die sogenannten 'Caravaggisten' und zahlreiche Künstler, darunter Rubens, Rembrandt, Vermeer und Velázquez. Thematisch geordnete Detailansichten lassen Caravaggios ausgefeilte Bildrhetorik von Blicken und Gesten nachempfinden. Der opulente Bildband zeigt alle Werke auf seidenmattem, schwerem Papier, auf über 300 Seiten. Die klar erkennbaren Farbnuancen, zum Beispiel der grünlich schimmernde, 'kleine kranke Bachus', den er wahrscheinlich während eines Krankenhausaufenthalts malte, die feinen Pinselstriche, Brüche, Risse und Poren in den Gemälden machen aus dem Blättern einen Museumsbesuch.
Sebastian Schütze: 'Caravaggio – Das vollständige Werk', www.taschen.com