Freitag, 29. Oktober 2010

ART // PIG 05049

http://www.stylemag-online.net/2010/10/29/schwein-und-schaf-sind-meine-munition/
Hüfte, Lende, Hachse, Speck und Wolle – in diese Kategorien zerlegt das geistige Auge ein Schwein oder ein Schaf. Vielleicht kommen Attribute wie dick, rosa, warm und lecker dazu. Eine neue Transparenz und ungeahnte Verwertungsvarianten in der Nutztierhaltung führt uns die Künstlerin Christien Meindertsma vor. Für ihr Buch 'PIG 05049' bekam sie im letzten Jahr den internationalen Index Award für Design. Drei Jahre recherchierte sie, welche Produkte aus einem Schwein, nämlich Schwein Nummer 05049, gewonnen werden. Zu den ungewöhnlichsten Dingen zählen: Munition für Gewehre, Medizin, Fotopapier, Herzklappen, Bremsen, Kaugummi, Porzellan, Kosmetik, Zigaretten, Haarspülung und Bio-Diesel. Die absurden Teile, in die Nr. 05049 zerlegt wurde, dokumentierte Meindertsma detailliert in ihrem Bildband und hält uns so auch die traurige Abgestumpftheit vor Augen. Plastisch wurde die faszinierende und ekelhafte Wahrheit über die Schweineteile während ihrer Ausstellung in der Rotterdamer Kunsthalle. Neben Schweinen beschäftigt sich Christien Meindertsma meistens mit Schafen: Wollskulpturen, geschorenen Tieren, dem Produktionsweg vom Merino-Schaf zum Pullover und der eigenen Kollektion aus diesen. Wir sind gespannt, welches Tier als nächstes kommt.
Photos by Roel van Tour, Kenji Masunaga, Julie Joliat
www.christienmeindertsma.com

Samstag, 9. Oktober 2010

FILM // THE SOCIAL NETWORK

http://www.stylemag-online.net/2010/10/09/500millionenfreunde-the-social-network/











































'Dass die Frauen nicht auf dich stehen wird nicht daran liegen, dass du ein Nerd bist, sondern daran, dass du ein Arschloch bist', prophezeit seine Freundin. Doch Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) hat ein Ziel: er will in einen Final Club der Harvard Universität 'weil sie exklusiv sind, Spaß machen und zu einem besseren Leben verhelfen'. Mark ist ein Informatik-Nerd, trägt Adiletten mit und ohne Socken, es scheint aussichtslos. Seine Kommilitonen gehen auf Partys, Mark sitzt vor dem Rechner. Aus Langeweile hackt er sich in Uninetze ein, lädt Bilder von Studentinnen herunter und ruft dazu auf, die Gesichter miteinander zu vergleichen. Mark schickt Facemash an eine 'Hand voll Leute, die Frage ist nur, wem sie es schicken', und legt so mitten in der Nacht den Uni-Server mit 22.000 Klicks in einer Stunde lahm. Datenklau. Erwischt. Die Gerichtsverhandlung deckt alle Details der Geschichte auf, die im Rückblick erzählt wird. Unter den Klägern ist auch sein ehemals bester Freund Eduardo, der den Algorithmus zur Vergleichbarkeit der Gesichter lieferte und mit 1000 Dollar der erster Finanzgeber von (damals noch) 'the facebook' war. Denn, so der einleuchtende Untertitel des Films, 'Du bekommst keine 500 Millionen Freunde, ohne dir auch ein paar Feinde zu machen.' Zu den Feinden gehören auch die Winklevoss-Zwillinge (Armie Hammer in einer smarten Doppelrolle), die die eigentliche Idee zu einem digitalen Netzwerk für Harvard-Studenten lieferten, aber nicht in der Lage waren, sie selbst umzusetzen. Da half auch nicht die Drohung: 'Ich bin 1,90 m groß, wiege 100 kg und es gibt zwei von mir.' Es ist ein etwas anderer Film, den David Fincher dieses Mal präsentiert, nicht in der Tradition von 'Alien 3', 'Sieben', 'The Game' oder 'Fight Club'. 'The social Network' erzählt die unglaubliche Geschichte, wie aus einem digitalen Gesichtsbuch ein Milliarden-Dollar-Coup wurde. Natürlich typisch amerikanisch, aber satirischer, spannend und ohne den Kitsch eines modernen Märchens wie einst „Das Geheimnis meines Erfolges“ mit Michael J. Fox. Als die Seite online geht beginnt der Hype. Immer mehr Studenten werden Mitglied, Mark und Eduardo haben plötzlich Groupies, 'facebook me' wird zum Erkennungscode, alle wollen ein Stück ab haben. Auch Napster-Gründer Sean Parker (Justin Timberlake als kleines Arschloch) wittert seine Chance. Er hilft Mark, die Plattform weltweit zu etablieren und hebelt Eduardo heimlich aus. Am Ende scheint Mark nicht mehr stolz auf den Schriftzug 'I’m CEO, bitch' auf seiner Visitenkarte zu sein und irgendwie hegt man die ganze Zeit Sympathie für den intelligenten Computer-Nerd, der auf seiner Lippe kaut und heimlich traurig darüber ist, seine damalige Freundin verletzt zu haben - was auch an Jesse Eisenbergs großartigen schauspielerischen Umsetzung liegen muss. Trotz Überlänge hätte man der Geschichte noch weiter zusehen können, denn sie betrifft ja alle, die sich Kommunikation ohne facebook nicht mehr vorstellen können. Mark Zuckerberg gründete das social Network mit gerade einmal 20 Jahren und ist der jüngste lebende Selfmade-Milliardär. Ob er heute Mitglied in einem exklusiven Club ist, der Spaß macht und zu einem besseren Leben verhilft, bleibt offen. Angeblich lebt er immer noch in einem kleinen Apartment in San Francisco und spendete gerade 100 Millionen Dollar für das Bildungssystem. Seine Kläger erhielten eine Abfindung. Ein paar Feinde wird er trotz seiner derzeit 925.494 Freunde auf facebook haben – aber was soll’s.
www.thesocialnetwork-movie.com/

Donnerstag, 7. Oktober 2010

DESIGN // LONDON DESIGN

http://www.stylemag-online.net/2010/10/07/best-of-london-design-festival-2/






























Auch auf dem diesjährigen London Design Festival gingen Nachhaltigkeit und Recycling über Taschen aus LKW-Plane und Kronkorken-Leuchter hinaus. Jenseits des DIY-machbaren wurden Lampen aus Salz, Tische aus Europlatten und puristische Möbel aus recyceltem gepressten Holz und Stahl vorgestellt.
Highlights: die gepolsterten, mit Schnitzereien verzierten Möbel von Zoe Murphy im Ethno-Look, Tisch und Stuhl von Hendzel & Hunt aus der Serie Made in Peckham, der King Louis Tisch aus Karton von Gareth Neal und der Acapulco Chair aus recyceltem Plastik der dänischen Firma Oficina Kreativa.
www.londondesignfestival.com

Freitag, 1. Oktober 2010

DESIGN // WIE SIEHT DIE ZUKUNFT AUS, FRAU FEIREISS?

http://www.stylemag-online.net/2010/10/01/30-jahre-aedes-wie-sieht-die-zukunft-aus-frau-feireiss/
































Vielleicht muss man neuen Projekten mit positiver Naivität begegnen statt mit Risikogedanken. So jedenfalls beschreibt Kristin Feireiss ihre Gründung des Aedes Architekturforums in Berlin, der ersten Architekturgalerie weltweit. Gemeinsam mit einer Freundin eröffnete sie vor 30 Jahren die erste Architekturausstellung in einem 50 qm kleinen Ladenlokal in Charlottenburg. 'Klein anzufangen hatte den Vorteil, dass wir nichts an Dritte delegieren konnten, das förderte den Kontakt zu unseren Entdeckungen.' Mit vielen ist sie heute befreundet. In diesem Jahr feiert das Aedes Forum, mittlerweile auf einem 600 qm großen Areal im Pfefferberg angesiedelt, den 30. Geburtstag. Über 400 Ausstellungen und ebenso viele Kataloge hat Feireiss begleitet. Wir sprachen mit ihr über Berlins Stadtplanung, Wiesen statt Schlösser, junge Talente und die ewig Gestrigen.
Sie haben vor 30 Jahren eine Galerie für Architektur gegründet. Ist Architektur Kunst?
Allenfalls angewandte Kunst. Auf jeden Fall ist sie immer Ausdruck der kulturellen Entwicklung eines Landes, einer Region, einer Stadt. Wir wollten nie Architekturzeichnungen verkaufen, sondern Architektur kommunizieren. Da wir selbst keine Architekten sind, präjudizieren wir keine Stilrichtung. Was uns spannend erscheint stellen wir für ein breites Publikum zur Diskussion, machen Architektur optisch begreifbar, wecken Interesse und Freude, regen aber auch zum kritischen Umgang mit Städteplanung an.
Wie sieht denn die Stadtplanung der Zukunft aus? 
Im Moment leben rund 60 Prozent der Menschen in Städten, in zehn Jahren werden es 75 Prozent sein. Die Herausforderung besteht darin, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leben, Wohnen und Arbeiten zu schaffen. In Städten wie Frankfurt am Main, die am Wochenende leer gefegt sind, stimmt dieses Verhältnis nicht. Da sich der gesellschaftliche Wandel in Städten sehr dynamisch vollzieht, lässt sich Stadtplanung nicht für Jahrzehnte im Voraus bestimmen. Berlin wurde in den vergangenen 20 Jahren leider ohne Rücksicht zugebaut. Plötzlich gab es zu viele Büros an ungeeigneten Standorten, zu viele Wohnungen in Randgebieten und alles verbunden mit Leerstand und einem flächendeckenden Stildiktat. Heute gibt es den Begriff der 'prozesshaften Stadtentwicklung': Man muss Voraussetzungen schaffen, sich auf notwendige bauliche Eingriffe beschränken und Freiräume für zukünftige Entwicklungen lassen.
Und was wünschen Sie sich architektonisch und städtebaulich für Berlins Zukunft?
Warum muss Berlin ein Schloss bauen und sagt nicht: Wir haben gerade genug andere Aufgaben in der Stadt, wir machen die Fläche grün, die nächste Generation mit sicher anderen Prioritäten kümmert sich darum? Es herrscht eine Diskrepanz zwischen dem, was Berlin und seine kreative Szene ausmachen und der restriktiven Architektur, die das Stadtbild bestimmt. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit und Offenheit vom Senat, den Institutionen und der Bürokratie. Und mehr Freude an temporären Nutzungen. Wenn Projekte nur für ein paar Jahre da sind, muss man auch keine Angst davor haben, dass etwas im wörtlichen Sinne 'verbaut' wird.
Um manche Architekten gibt es einen regelrechten Starkult. Wer begeistert Sie?
Wir wollen vor allem junge Talente entdecken. Mit Zaha Hadid zum Beispiel haben wir vor 29 Jahren die erste Ausstellung in Europa gemacht, da hatte sie gerade ihren ersten Wettbewerb gewonnen. Das Projekt, das wir zeigten, wurde nicht einmal realisiert. Sie wurde anfangs völlig unterschätzt, Kritiker meinten, sie sei 'eine arabische Prinzessin, die großartig zeichnen kann, aber niemals bauen wird'. Im Laufe der Jahre konnte sie zeigen, welches herausragende Talent in ihr steckt. Stararchitekten sind für mich diejenigen, die für jede Aufgabe eine innovative, maßgeschneiderte und einmalige Lösung finden.
Und wer hat Sie enttäuscht? 
Enttäuscht klingt zu persönlich. Frank Gehry zum Beispiel hat die internationale Architekturszene angeregt und beeinflusst wie kein anderer. Aber nach sehr spannenden Projekten, etwa dem Guggenheim Museum in Bilbao, trat kreativer Stillstand ein. Das ist okay, warum muss ein Mensch bis an sein Lebensende schöpferisch sein? Aber dann kamen Wiederholungen, das Perpetuieren des eigenen Stils – das ist ermüdend.
Ist denn die Handschrift eines Architekten nicht wichtig?
Sie ist entscheidend. Aber sie bedeutet nicht zwangsläufig eine immer gleiche Formsprache, sondern sollte von der jeweiligen Aufgabe abhängen.
Welche Architekten sind zukunftsweisend?
Ein Beispiel aus Berlin ist das Neue Museum von David Chipperfield: er hat die Geschichte des Orts im Dialog mit zeitgenössischen Elementen lebendig werden lassen. Dieser Umgang mit historischen Bauten ist weltweit vorbildhaft. Das ist beim Martin-Gropius-Bau nicht gelungen, man kann Gebäude auch tot restaurieren.
Und etwas weniger prominent?
Es ist immer unbefriedigend, nur einzelne Büros zu nennen aber Sauerbruch Hutton gehören dazu, Jürgen Mayer H. in der jüngeren Generation und auch das Raumlabor, das mit temporären Interventionen im urbanen Raum überrascht, z.B. einem Opernprojekt oder einem mobilen Kinderliteraturhaus in sozial schwachen Gebieten. Solche Ansätze finde ich sehr spannend.
Welche Rolle spielen Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein für zeitgenössische Architektur?
Nachhaltigkeit bezieht sich bei der Architektur nicht nur auf Gebäude sondern auch auf die Infrastruktur. Ein ökologisches Gebäude muss auch gut erreichbar sein. Mobilität ist wichtig: Wie kommen die Menschen schnell und umweltfreundlich an ihr Ziel? Der richtige Umgang mit Nachhaltigkeit in Bezug auf Architektur ist erst erreicht, wenn ökologische Aspekte nicht mehr hervorgehoben werden müssen, sondern selbstverständlich sind. Wenn es nicht mehr nur um Reduzierung von Energie geht oder darum, ein emissionsfreies 'Zero-Haus' zu bauen, sondern mit einem Haus sogar Energie zu generieren. In naher Zukunft wird das möglich sein. Eine ermutigende Vorstellung.
www.aedes-arc.de