Freitag, 12. Februar 2010

FILM // DIE ZWEI LEBEN DES DANIEL SHORE

http://www.stylemag-online.net/2010/02/12/die-zwei-leben-des-daniel-shore/



























Langsame Kameraführung über eine mediterrane Terrasse in dämmrig gelb-blauem Licht, symmetrisch angeordnete Blumenkübel, ein Pool. Der näher kommende Ton wird mehrstimmig und dröhnend. Die Kamera stoppt über einem kleinen Jungen, der ausgestreckt auf den Fliesen liegt, mit dem dunklen Schopf in einer Blutlache.
Michael Drehers Filmdebut 'Die zwei Leben des Daniel Shore' beginnt mit einer unbehaglichen Grundstimmung. Der Amerikaner Daniel Shore (Nikolai Kinski), gerade aus Marokko zurück, bezieht in Deutschland die Wohnung seiner verstorbenen Großmutter in ihrem Mehrfamilienhaus. Die Handlungsstränge laufen achronologisch parallel. In die Gegenwart der Stuttgarter Kleinbürgerei mischen sich die Bilder aus Daniels vergangenem Urlaub in Nordafrika. So undurchsichtig wie Daniels Bekanntschaften in Marokko - ein 'Schieber', der ihm sein Appartement leiht, eine Geliebte, die scheinbar in Schwierigkeiten steckt - so gespenstisch wirken auch seine neuen Nachbarn in dem Haus der Oma. Die Haushälterin Kowalski (Judith Engel) fühlt sich von dem neuen Mitbewohner bedroht, die Sängerin Elli von nebenan (Katharina Schüttler) drängt sich auf, der Bankangestellte Feige (Matthias Matschke) scheint ein Geheimnis zu haben.
Daniel ist skeptisch, hält sich zunächst zurück und konzentriert sich auf die Suche nach einem Doktorvater für seine Arbeit, wird aber zunehmend in die groteske Gemeinschaft der Hausbewohner hineingezogen. Dazu holen ihn die beklemmenden Ereignisse mit seiner Affäre aus dem Marokkoaufenthalt und seine Schuldgefühle, die anscheinend mit dem Tod des kleinen Jungen in Zusammenhang stehen, ein. Nach einem Konzertabend in Daniels Wohnung, zu dem er von seinen Nachbarn und allerhand bizarren Gästen überrumpelt wird, spitzen sich die Ereignisse zu. Durch den Spion seiner Wohnungstür beobachtet er die seltsamen Verstrickungen der Bewohner. Ist er einem Verbrechen auf die Schliche gekommen, wird der kleine Nachbarjunge misshandelt oder sieht er Gespenster? Was ist Einbildung, was Realität, was Gegenwart und was Vergangenheit?
Dreher gelingt ein kafkaesk beklemmender Psychothriller, mit der perfekten musikalischen Unterstützung von Lorenz Dangel, kunstvoll inszenierten Sets und einer hervorragenden Besetzung. Insbesondere das subtil paranoide Spiel Kinskis, zwischen der windigen Freiheit in Marokko und der drückenden Enge im Altbau der Oma, fesselt und begeistert. In die düstere Grundstimmung mischt sich skurrile Komik, meist durch Katharina Schüttler, die die Figur der leicht psychotischen Elli charmant überspitzt. Mit einem überraschenden Knall verabschiedet der Film sein Publikum, ohne alle rätselhaften Wirrungen und unkonkreten Rollen aufgeklärt zu haben, dafür mit einem bleibenden Schauer auf der Haut.
www.danielshore.kinowelt.de

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