Freitag, 19. Dezember 2008

FILM // OPERATION WALKÜRE

http://www.stylemag-online.net/2008/12/19/operation-walkure-mission-possible-1944/

























Das Ende ist bekannt. Aber schauen wir uns den Film mit dieser Erwartung an und zerstört diese nüchterne Vorahnung die Spannung? Man weiß ja nie – schließlich ließ Sofia Coppola Marie Antoinette auch der Guillotine entkommen. Oder machen wir es wie die Amerikaner, ahnungslos staunend über eine wahre Geschichte in der nicht alle Deutschen Nazis sind? Eine Befürchtung ist definitiv: Tom Cruise und Hollywood werden uns sicher nicht enttäuschen und unserer nationalen Heldengeschichte eine kitschdurchfaserte, explosionsgeladene und historisierende Fassung liefern, die aller Häme zu Dreharbeitszeiten gerecht wird.
'Operation Walküre' stellte sich für Regie, Schauspieler und Mitarbeiter im Vorfeld tatsächlich als schwieriger chirurgischer Eingriff mit narkotischen Phasen dar, gab es doch großes Gezeter, ob denn der Scientologe unseren Helden spielen und dazu im historischen Bendlerblock drehen darf. Den moralischen Teil sparen wir uns hier, ebenso den mühseligen Vergleich mit den vorangegangenen Inszenierungen, sondern konzentrieren uns aufs Wesentliche: den Nazifilm mit Tom Cruise!
Ein Kriegslager in Afrika. Wir befinden uns gleich mittendrin und ahnen wegen Stauffenbergs unheilschwangerem Tagebucheintrags 'Das Land braucht einen gewaltigen Umsturz' nichts Gutes. Kurz danach eine Explosion. Stauffenberg bleibt am Boden liegen. Schnitt. In Russland bereiten Offiziere einen ersten Anschlag auf Hitler vor. Es geht schief und beinahe fliegt die Sache auf.
Tom Cruise schreitet auf angenehm souveräne Weise Stück für Stück seinem Ziel entgegen. Keine heroische Attitüde lenkt ab und schnell vergisst man, dass es sich um 'Top Gun'-Cruise handelt. Man fiebert mit den deutschen Helden, größtenteils gespielt von britischen Größen (Kenneth Branagh als Henning von Tresckow, Bill Nighy als Friedrich Olbricht und Tom Wilkinson als General Fromm) und sieht unwillkürlich über die differenzierte Darstellung hinweg. Christian Berkel überzeugt in der Rolle des Oberstleutnant Mertz von Quirnheim, der fast in Q-Manier 007 Stauffenberg die Bombenkonstruktion erklärt und Teil der Operation Walküre wird. Entgegen der herkömmlich hektisch geifernden Figur wirkt David Bambers Adolf Hitler gespenstischer und bedrohlicher denn je. Ungewöhnlich aber erschreckend geeignet ist auch Matthias Schweighöfer als das verräterische und exekutierende Arschloch Leutnant Herber.
Abgesehen von der Szene in der sich Stauffenbergs Mitwisser zu erkennen geben, indem sie ein Zettelchen aus dem Ärmel zaubern und verschwörerisch-solidarisch hochhalten, nimmt der Film Abstand vom großen Hollywood-Pathos. Auch keine unnötig eingebauten Romance-Szenen mit Carice van Houten alias Nina von Stauffenberg lenken ab. Ihrer glanzvollen Erscheinung bleiben leider nur wenige Auftritte. Regisseur Bryan Singer ('Die üblichen Verdächtigen', 'X-Men', 'Superman Returns') schafft es, entgegen eigener und aller vorher sorgfältig angelesener Vorurteile, einen spannenden und unterhaltsamen Countdown zum Attentat zu liefern, dramaturgisch geschickt und musikalisch perfekt untermalt. Nicht mehr aber auch nicht weniger. So ertappt man sich, wider besseren Wissens, voller Hoffnung am Ende würde doch der Gute gewinnen.